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Piratenpartei: Wofür es sich zu kämpfen lohnt

Publiziert am von Tobias Opitz

Seit gut 1,5 Jahren bin ich nun aktives Mitglied der Piratenpartei. Zugegebenermaßen gehöre ich zu jenen, die sich vom Erfolg der Berliner mitreißen ließen und große Hoffnungen auf die junge, bunte und irgendwie andere Partei setzten. Politik mache ich schon seit gut 15 Jahren. Bei den Piraten witterte ich aber zum ersten Mal das Potential etwas wirklich fundamentales zu verändern: Die Art, wie in diesem Land Entscheidungen über die Zukunft unserer Gesellschaft getroffen werden.

Es gibt so viele Meinungen wie es Menschen gibt. Dennoch haben wir alle ein zentrales Grundbedürfnis gemeinsam. Ich meine nicht das Bedürfnis nach Sicherheit. Es ist eine Illusion. Nichts auf der Welt kann uns echte Sicherheit geben. Was ich meine ist Hoffnung.

Es ist die Hoffung die uns antreibt. Es ist das fundamentale Streben nach der Erfüllung unserer Wünsche, nicht das bloße Überleben, das uns zu wahrer Größe führt. Nur wer eine Perspektive, ein Ziel, vor Augen hat kann sich entwickeln, über sich hinaus wachsen, selbstständig werden.

Die aktuelle Politik dieses Landes scheint es sich aber zur Aufgabe gemacht zu haben eben jene Impulse nachhaltig zu unterbinden. Allen schönen Worten zum Trotz zeigen die Alltagserfahrungen der meisten Menschen, dass eigentlich zur Verbesserung der Lebensumstände Aller beschlossene Maßnahmen all zu oft genau den gegenteiligen Effekt haben.

Auch wenn man es kaum glauben mag liegt das in aller Regel nicht an einer Art allgemeinen Bösartigkeit, die unter Berufspolitikern verbreitet wäre. Grund dafür sind gewachsene Strukturen, die im Laufe der Zeit ein undurchdringliches Netz flechten, aus dem es, hat man erst eine staatstragende Position erreicht, kein Entrinnen mehr gibt.

Daher ist es von außerordentlicher Bedeutung, dass mit neuen Parteien auch frischer Wind durch die Hallen der Macht weht. Vergessen darf man dabei aber nicht, dass dieser Wind die unterschiedlichsten Düfte mit sich tragen kann. Veränderung an sich bedeutet noch keine Verbesserung.

Wir müssen uns darüber klar werden, was wir wollen. Welche Grundlagen sind es, die dauerhafte positive Impulse in unsere Gesellschaft aussenden?

Wir können es uns nicht leisten auf Grund von Engstirnigkeit, Ignoranz und diversen Phobien auf das Potential auch nur eines Individuums zu verzichten. Paradoxer Weise erhalten gerade in Krisenzeiten, wenn die Stärke einer Gemeinschaft gebraucht wird, ausgerechnet jene Kräfte Auftrieb, die genau jenen Zusammenhalt zu zerstören suchen.

Wir leben in einer Zeit nie gekannten Wandels. Niemals in der Geschichte der Menschheit hat sich unserere gelebte Realität derart schnell verändert. Manche mögen das ablehnen, doch es ist die Minderheit. Die Mehrzahl der Menschen unseres Landes wünscht sich die Veränderung. Sie haben erkannt, dass Verharren ihr Leben nicht verbessert. Nun können sowohl Kräfte der Toleranz und Aufgeschlossenheit als auch jene des Hasses und Ausgrenzung diesen Geist nutzen.

Die Piratenpartei hat seit ihrer Gründung ein positives Menschenbild vertreten. Bei uns haben sich politisch Interessierte aus jeder gesellschaftlichen Schicht und jedem sozialen Umfeld zusammengefunden und trotz aller Widrigkeitkeiten bereits eine Menge bewegt. Ein deutlicheres Ja zum Pluralismus kann es meiner Meiung nach kaum geben.

Ein jeder der sich aufmacht einen steinigen Weg zu beschreiten sollte auch die Stärke mitbringen diesen bis zum Ende zu gehen. In unserem Fall gehen wir diesen Weg nicht nur für uns. Wir gehen ihn für alle. Wir ergreifen keine Partei für eine bestimmte Gruppierung. Wir gehen nicht mit Scheuklappen durch die Welt. Wir ignorieren keine guten Ideen, nur weil sie möglicherweise nicht von uns kommen. Wir können der Fokus für all jene sein, die ihren Blick auf das Ganze richten.

Dennoch lassen wir es zu, dass Streit um Details uns entzweit bevor wir überhaupt die Grundlagen geschaffen haben. Wir bieten jenen, die nur nach Aufmerksamkeit für die eigene Person lechzen, eine Bühne. Wir lassen zu, dass unser Name missbraucht wird, nur um den eigenen in den Medien zu sehen.

Wir stehen für Transparenz und Mitbestimmung. Es gibt aber einen Unterschied zwischen dem Anbieten einer Möglichkeit und Zwang. In letzter Zeit tendiert es doch mehr zu letzterem. Jede halbgare Idee wird via Pressemitteilung verbreitet. Diskussionen werden über die Medien, nicht über eigene Strukturen geführt. Die Öffentlichkeit, der dieser Unsinn regelrecht aufgezwungen wird, nimmt es zur Kenntnis und sieht uns zu Recht als Chaoten. Gute Thesen und spannende Diskussionen verkommen zu Hasstiraden, weil es den Initiatoren an Feingefühl fehlt, sie um ihrer „fünfzehn Minuten“ willen nicht wieder gut zu machenden Schaden anrichten und dabei billigend in Kauf nehmen die harte Arbeit ihrer Mitstreiter zu unterminieren.

Während wir uns mehr und mehr in Ketten aus Schuldzuweisungen, Wut und Enttäuschung verfangen gewinnen gegensätzliche Positionen in der Gesellschaft an Auftrieb. Nicht weil sie an sich richtig oder logisch wären, sondern weil sie den Menschen etwas anderes bieten: Konstanz und scheinbare Klarheit.

Unschärfe ist das Schlimmste, was man einem Menschen, der entscheiden muss wem er seine Zukunft anvertraut, antun kann. Selbst diejenigen, die unsere Werte teilen, werden uns nicht wählen oder uns auch nur weiter zuhören, wenn wir keine klaren und eindeutigen Antworten zu bieten haben.

Transparenz und Mitbestimmung. Was bedeutet das?
Im Augenbick scheinbar, dass sich jeder überall einmischt, unabhängig davon ob die notwendige Kompetenz vorhanden ist und seine Meinung ungefiltert in die Welt schreit.
Für mich bedeuutet es etwas anderes.
Transparenz ist die Nachvollziehbarkeit von Entscheidungen. Die Dokumentation von Entwicklungen. Die Zuschreibbarkeit von Äußerungen und Handlungen.
Mitbestimmung ist die Möglichkeit sich jederzeit in einen Vorgang einarbeiten und konstruktiv kommentieren zu können. An der Entscheidung über die Aufnahme in offizielle Dokumente und Verlautbarungen einen Anteil zu haben.
Das ist es schon … und genau daran kranken wir.

Innerhalb der Partei können wir diskutieren und streiten so viel wir wollen. Das müssen wir sogar. Und wir müssen der Öffentlichkeit Zugang zu unseren Diskussionen ermöglichen, denn nur so können interessierte den Weg einer Entscheidung nachvollziehen.
Dann müssen wir gemeinschaftlich eine Entscheidung treffen. Dabei geht es nicht darum jeden aktiv zu fragen. Es geht darum, dass jeder, der will von anstehenden Entscheidungen erfahren und sich einschalten kann wenn es zur Abstimmung kommt.

Wenn dann eine Entscheidung getroffen wurde, müssen wir nach Außen mit einer Stimme sprechen. Das ist das Wesen der Demokratie. Nichts anderes.

Für eine Partei, deren erklärter Lebenszweck es es ist, Demokratie zu fördern, versagen wir erstaunlich oft genau in diesem Punkt. Es gibt zu viele Selbstdarsteller bei uns. Sie respektieren den oben aufgezeigten Weg nicht und veröffentlichen die eigenen Auffassugen unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit zum Schaden aller. Oft genung wird dabei bewusst der Eindruck erweckt für einen signifikanten Anteil der Parteimitglieder zu sprechen obwohl es sich um eine Einzelposition handelt.

Die fehlende Strukturierung der Piratenpartei gibt diesen Handlungsweisen Raum und verhindert gleichzeitig effektive Maßnahmen. Wir müssen Klarheit schaffen. Sowohl über Inhalte, als auch über den Weg dorthin.

Immer häufiger höre ich genau aufgrund des oben genannten Chaos die Frage „Sind wir bereit für den Bundestag?“.
Nein, aber das ist niemand. Weder CDU, SPD noch FDP oder die Grünen waren oder sind bereit für den Bundestag. Genausowenig wie wir.
Politik ist wie sturmumtoste See. Bestehen oder scheitern liegen so nah beieinander wie die nächste Woge, die nächste Sandbank oder der nächste Strudel. Jeder morgen bringt eine neue Kriese, eine neue Herausforderung. Nichts und niemand kann uns darauf vorbereiten. Nur die Erfahrung selbst. Wer sich nicht ins Wasser traut, wird nie schwimmen lernen.

Nun höre ich auch immer wieder das Argument „Wir müssen von unten nach oben wachsen um uns langsam an die entsprechenden Machtpositionen heranzutasten“. Tatsächlich? Was meint ihr, wieviel frischen Wind wir noch mit uns tragen können, nachdem wir langsam durch den Morast der Kommunalpolitik gewatet sind? Wieviel Energie ist wohl noch übrig, nachdem Jahre mit Streit über Schlaglöcher und Müllabfuhrtermine verbracht wurden? Wenn der Blick eng und der Biss schwach geworden ist?

Nein, dies ist nicht unser Schlachtfeld. Wir sind von Anfang an angetreten um Großes zu vollbringen. Unsere Themen sind umfassender. Wir stehen für eine neue Art des Denkens und Handelns und werden das politische „Nichtschwimmerbecken“ überspringen müssen.

Aber es gibt einen Unterschied zwischen Inhalt und Methode. Wollen wir wirken, können wir demokratischen Strukturen unseres Landes nicht einfach ignorieren. Dazu zählt auch die repräsentative Demokratie. Es hat sich nun einmal so ergeben, dass die Menschen nur etwa alle vier Jahre wirklich aufnahmefähig für politisches Handeln sind. Also müssen wir, wie alle anderen auch, verstärkt in dieser Zeit für unsere Ideale werben. Auch wenn wir interne Probleme haben verfolgen wir ehrenwert Ziele und jetzt ist die Zeit den Menschen davon zu erzählen. Wer bei jedem Sturm den Kopf im Sand vergräbt wird sicherlich nichts bewirken. Unabhängig vom Ergebnis der Wahl ist es von größter Bedeutung, dass uns die Menschen jetzt sehen. Auf der Straße, in den Medien, im Privaten … hoch erhobenen Hauptes.

Ein Fisch, der gegen den Schwarm schwimmt mag stolz sein und eine Zeit lang bewundert werden. Am Ende seines Weges wird er aber, geschunden und gemieden, allein in der Weite es Ozeans sterben. Wer etwas bewirken will, der setzt sich an die Spitze des Schwarms und lenkt dessen Weg. Wir werden diese jahrtausende alte, fundamentale Wahrheit nicht ändern.

Wer hehre Ziele verfolgt braucht sich niemals zu schämen. Fehler geschehen immer und überall. Sie gehören zur menschlichen Natur und je eher wir uns damit anfreunden, desto besser. Perfektion ist nicht erreichbar.

Wichtig ist, dass uns klar ist, für welches Ziel wir in die Schlacht ziehen. Unsere Positionen bevorzugen niemanden und sie benachteiligen niemanden. Es ist nicht wichtig woher jemand kommt, sondern wohin er geht. Wir können nicht allen Menschen das gleiche geben, aber wir können dafür sorgen, dass jeder seinen Weg mit den gleichen Karten beginnt und seine Chance bekommt.

Das ist, wofür es sich zu kämpfen lohnt!

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